Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

In unseren Fabriken und Büros ist kein Platz für Extremismus

Von Matthias  Zachert

Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG

"Ich wünsche mir eine Europapolitik, die alles dafür tut, Europa stark und leistungsfähig zu halten", Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG, im NRW-Wirtschaftsblog zur Europawahl.

Viele verlangen derzeit von uns in der Wirtschaft ein klares Bekenntnis gegen Extremismus. Das abzugeben dürfte, so wie LANXESS und mir selbst, auch den meisten anderen Unternehmern und CEOs leichtfallen: In unseren Fabriken und Büros ist kein Platz für Extremismus gleich welcher Art. Und erst recht nicht für Antisemitismus. Wir wollen – und pflegen – einen respektvollen Umgang miteinander. Als Land und als Volkswirtschaft sind wir darauf angewiesen, dass Deutschland weltoffen bleibt. Angesichts des demographischen Wandels müssen wir attraktiv bleiben für die klügsten Köpfe der Welt. Freiheit, Toleranz und Respekt sind eine Grundvoraussetzung dafür. Und für eine Exportnation ist nationale Abschottung jeglicher Art sowieso ein Irrweg. 

All dies sind eigentlich Selbstverständlichkeiten. Und obwohl gerade wir in international agierenden Konzernen sicherlich wenig Nachholbedarf in Sachen Weltoffenheit haben, ist es in diesen Zeiten wichtig, diese Selbstverständlichkeiten immer wieder auszusprechen. 

Bekenntnisse allein dürften aber kaum ausreichen, um Extremisten und Populisten das Wasser abzugraben. Dazu brauchen wir mehr Klarheit und mehr Klugheit auf allen Seiten, vor allem aber mehr Vernunft. Damit meine ich zuerst mehr Vernunft in der Politik. „Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität“, heißt eine oft zitierte Maxime. Realität ist, dass wir in Europa an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Unsere weltweiten Mitbewerber überholen uns gerade. 

Alle Kraft auf das Wiedererlangen unserer europäischen Wettbewerbsfähigkeit

Vernünftige Politik für Europa wäre daher für mich, alle Kraft auf das Wiedererlangen unserer europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu setzen – und nicht darauf, die ganze Welt zum Beispiel in Sachen Klima und Moral zu bevormunden. Womit wir uns und unseren Anliegen am Ende nicht helfen. Taxonomie, Lieferkettengesetz, Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und auch Aspekte der neuen europäischen Chemikalienpolitik sind für mich als Chemiemanager Beispiele dafür, wie wir uns durch Brüsseler Überregulierung und Bürokratismus selbst schaden. Und zwar ohne dadurch die Welt signifikant zu verbessern.

Vernünftige Politik agiert maßvoll, sucht eine Balance zwischen Regulierung und unternehmerischer wie persönlicher Freiheit und behält dabei immer die berechtigten Interessen und Erwartungen der Menschen im Auge. Wenn allerdings die Wählerinnen und Wähler den Eindruck haben, dass Gesinnung und Ideologie wichtiger sind als das Wahrnehmen von Verantwortung, dann wenden sie sich von den entsprechenden Akteuren ab. Das gilt in Brüssel wie in Berlin.

Ich wünsche mir eine Europapolitik (und einen kraftvollen deutschen Beitrag dazu!), die alles dafür tut, Europa stark und leistungsfähig zu halten. Die den Menschen auf unserem wunderbaren Kontinent die Möglichkeit gibt, Wohlstand zu bewahren und zu mehren. Und die dabei ihre Verantwortung für die Welt klug wahrnimmt. Ich bin davon überzeugt, dass es Kräfte in Europa gibt, deren politisches Handeln von solcher Vernunft und Klugheit geprägt ist. Bei allen Schwächen und Defiziten ist die Europäische Union ein insgesamt gelungener Versuch, das Gegeneinander des Nationalismus durch eine Bündelung der Kräfte in einer globalen Welt zu überwinden. Vernunft und Klugheit gebieten, das mit aller Kraft und Leidenschaft nicht nur zu bewahren, sondern in einer multipolaren Welt noch weiter zu stärken.

Vernunft und Klugheit

Vernunft und Klugheit muss man aber auch von den Wählern selbst einfordern dürfen. Wir leben in einer komplexen, schwierigen und bisweilen arg aufgeregten Welt. Zur Vernunft gehört da die Erkenntnis, dass es einfache Antworten nicht gibt, dass sie jedenfalls zu nichts führen – so sehr wir uns danach sehnen mögen. Ich rate daher zu einem großen Misstrauen gegenüber all denen in der Politik, die die vermeintlich einfachen Antworten anbieten.

Ein letztes: Vernunft und Erfahrung sagen, dass reine Protestwahlen noch nie etwas Gutes bewirkt haben. Wer Veränderungen will, sollte deshalb klug wählen und vielleicht auch ein bisschen taktisch – aber nicht mit Wut im Bauch. „Vernünftig“ wählen heißt, seine Wahlentscheidung an übergeordneten und meinetwegen auch an persönlichen Interessen auszurichten, aber nicht an Emotionen. „Bedenke das Ende“ gilt auch an der Wahlurne.

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Matthias Zachert

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